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Offenburger Tageblatt: So schützen junge Offenburger mit Plastikmüll die Umwelt

 

"In Elgersweier setzt das junge Unternehmen "Polymeractive" auf recyceltes Plastikgranulat, um Abwasser und Abluft von Schadstoffen zu reinigen. Die ersten Laborversuche fanden in Zell statt.

Plastikverpackungen sind immer mehr verpönt, Plastiktüten ebenso, Plastikmüll verschmutzt die Weltmeere: Kurzum, die Erde hat ein Plastik-Problem, vor allem, weil Kunststoff größtenteils ein Wegwerf-Produkt ist. Doch ist Plastik per se wirklich nur dafür gut, um nach Gebrauch weggeworfen zu werden? Es gibt eine junge Firma in Offenburg-Elgersweier, die das verneint. Denn Kunststoff hat unter bestimmten Voraussetzungen Eigenschaften, die sogar der Umwelt zugute kommen können. Denn Kunststoff kann Schadstoffe binden.

Das junge Unternehmen „Polymeractive” trägt den Grundbaustein ihrer Unternehmens-Idee im Namen: Kunststoffe bestehen aus sogenannten Polymeren. Kurz gesagt sind Polymere hochmolekulare chemische Verbindungen (Makromoleküle) aus wiederholten Einheiten, die „Monomere“ genannt werden. Sie können lineare, verzweigte oder vernetzte Strukturen haben. Je nach  Bedarf und Einsatzgebiet. So gibt es beispielsweise Thermoplaste, das sind Materialien, die beim Erhitzen weich und nach Absenken der Temperatur wieder hart werden. Es gibt Duromere, Materialien, die hart bleiben, nachdem sie in Form gebracht wurden und es gibt Elastomere, Materialien, die gestreckt und gestaucht werden können und fähig sind, ihre ursprüngliche Form zurückzubilden.

Zum Patent angemeldet

Diese kurze Einführung in die Welt der Chemie ist notwendig, um die inzwischen zum Patent angemeldete Idee der Firma „Polymeractive” verstehen zu können. Das Startup-Unternehmen möchte sich die Eigenschaften von Kunstoffen, Spurenstoffe  an sich zu binden, zunutze machen. Mit dieser Eigenschaft können beispielsweise Schadstoffe in Abwasser oder in Abluft gebunden werden. Einsatzgebiete wären Kläranlagen oder aber die Industrie. Die EU gab jüngst grünes Licht für eine Verordnung, nach der Kläranlagen bald über eine vierte Reinigungsstufe verfügen müssen, um etwa Rückstände von Medikamenten, Pflanzenschutzmitteln, winzige Mengen von Antibiotika, Hormonen oder Tensiden zu eliminieren.

Der Clou an der Firmenidee ist, dass „Polymeractive” den Kunststoff für den Einsatz recycelt, also dem oben beschriebenen Plastikmüll eine neue Aufgabe gibt. Und: Damit die Fläche für die Adsorbtion größer wird, hat der wissenschaftliche Kern des Unternehmens ein Verfahren entwickelt, poröse Granulatkügelchen herzustellen. Diese Porosität vervielfacht die Fläche, an die sich Schadstoffe anlagern können. Zahlreiche Versuche und Messungen bestätigten das; nun soll die Methode in großangelegten Pilotversuchen ihre Praxistauglichkeit beweisen. Unter anderem in der Verbandskläranlage Biberach. Dies hat der Abwasserzweckverband Kinizig- und Harmersbachtal beschlossen.

„Polymeractive“ das sind Raphael Bosch (30), Dr. Adrian Monteleone (33) und Moritz Ruff (36). Bosch und Monteleone bilden den wissenschaftlichen Kern des Unternehmens, Moritz Ruff ist für den kaufmännischen Teil der Firma zuständig. Ruff stammt aus Zell a. H., sein inzwischen verstorbener Vater Peter Ruff hatte in der Stadt ein Architekturbüro.

In der Stadt im Harmersbachtal fanden übrigens auch die ersten Laborversuche der Firma statt, damals in einem freien Lagerraum von Getränke Grimme im Gewerbegebiet „Steinenfeld“. „Wir haben lange nach geeigneten Räumen gesucht, in Zell klappte es dann”, erinnert sich Ruff. Inzwischen hat die Firma „Polymeractive” in Offenburg-Elgersweier eigene Räume.

Der nächste Schritt des jungen Unternehmens ist es, aus dem Versuchs-Stadium in die praktische Umsetzung zu kommen. Dafür ist eine erhebliche Steigerung der Granulatproduktion notwendig. Bewährt sich die Umsetzung, macht das Unternehmen den nächsten großen Schritt, kommt aus der jetzt noch laufenden Phase der Förderung in die Phase der Wirtschaftlichkeit. Und dies kann Aufträge in siebenstelliger Höhe bedeuten, schätzt Moritz Ruff.

Die „Kügelchen” werden übrigens an den jeweiligen Bedarf angepasst. Im Klartext: In Kläranlagen kommt anderes Granulat zum Einsatz als beispielsweise  bei industriellem Abwasser.

Bislang verwendet das Unternehmen Plastikabfall aus der Industrie als Grundstoff für ihr Granulat. „Das ist aber irgendwann gedeckelt”, weiß Raphael Bosch. Sein Kollege Moritz Ruff hat bereits neue Quellen im Blick: „Wir könnten den Plastikmüll aus den Meeren wiederverwenden”, sagt er. Auf jeden Fall möchte „Polymeractive” nachhaltig arbeiten. Das heißt, ein Abfallprodukt bekommt eine neue Aufgabe. Und die Tüftler im Unternehmen haben bereits die Vision, Granulatkügelchen nach ihrem Einsatz wieder zu reinigen und wiederzuverwenden. 

Großer Konkurrent

„Wir müssen nun beweisen, dass es funktioniert”, fasst Moritz Ruff zusammen. Denn die „Plastik-Staubsauger” aus Offenburg haben mit der Aktivkohle einen großen Konkurrenten. Aktivkohle hat die gleichen Eigenschaften, aber auch Nachteile. „Es ist extrem teuer, Aktivkohle aus Biomasse so herzustellen, dass sich genügend Kavernen für die Anlagerung organischer Substanzen bilden. Diese Kavernen sind schnell belegt, da auch unschädliche Substanzen daran hängenbleiben. Ist die Aktivkohle voll mit Molekülen beladen, muss das Material bei 1400 Grad verbrannt werden, um die gefilterten Stoffe wieder zu mineralisieren.“ Worte von Professor Andreas Fath. Der als „Rheinschwimmer” bekannt gewordene Wissenschaftler lehrt  an der Hochschule Furtwangen, Campus Villingen-Schwenningen. Und so schließt sich auch dieser Kreis: Sowohl Raphael Bosch als auch Adrian Monteleone waren an dieser Hochschule."

 

https://www.bo.de/lokales/offenburg/so-schutzen-junge-offenburger-mit-plastikmull-die-umwelt#